Perlen aus dem Ramsch
Neu entdeckt dank Entscheidungserleichterung via Ramschtisch:
Hans Magnus Enzensberger, "Einzelheiten I und II" (Essays aus den 60er Jahren)
Malika Mokeddem ("die Tochter der Nomaden"): "Zersplitterte Traeume", ueber die Situation einer jungen Frau in Algerien nach der Unabhaengigkeit und waehrend der Machtergreifung der Fundamentalisten.
Ein wunderbares Buch, trostlos, aber sehr praezise und zum Teil sehr poetisch geschrieben, von einer wunderbaren, starken Frau, die zum Glueck noch am Leben ist und im Exil in Montpellier als Aerztin fuer Immigranten arbeitet.
Ich hatte schon vor Jahren von ihr gehoert, als es auf ARTE einen Film, "Tochter der Nomaden", ueber sie gab, dessen Titel ich auf einem Zettel notierte und mir vornahm, diesen Film irgendwann beim Institut Francais in Berlin auszuleihen, und so merkte ich mir ihren Namen in der Fuelle der Namen, die mir taeglich begegnen, Tag fuer Tag, Woche fuer Woche, Monat fuer Monat, Jahr fuer Jahr..., wer soll sich alles merken? Und so finde ich es immer wieder interessant, was das Gedaechtnis sich so aussucht und warum. Und vor allem: wie unerschoepflich die Erinnerung ist.
Vor kurzem war ich auf einer Tagung ueber afrikanische Literatur und begegnete dort auch einer aelteren Algerierin, die von ihrem Land erzaehlte, ein Land, das einst als sehr gastfreundlich galt, aber noch der Islamisierung seine Tueren fuer Freiheit und Frieden auf unbestimmte Zeit verschloss.
Malika Mokkeddem erzaehlt von dieser Misere in ihrem Buch und bekennt sich trotz der vielen Probleme und Ungerechtigkeiten zwischen Frankreich und Algerien zu den Werten der franzoesischen Kultur.
In Frankreich begegnete ich vielen Menschen aus Algerien und erlebte sie als sehr offen und bereit zu teilen, ein Junge teilte z.B. 1990 im Zug von Paris nach Berlin sein Sandwich mit mir, das ihm seine Schwester zubereitet hatte, obwohl wir uns nur gegenuebersassen. Etwas misstrauisch, wie man als Deutsche so ist, lehnte ich erstmal ab. Gastfreundschaft und Freude am Teilen muss man ja hierzulande erst lernen.
Im Gespraech erfuhr ich, dass der Junge Algerier war, aber leider vertieften wir die Diskussion aus irgendwelchen Gruenden nicht, vielleicht war ich als Maedchen auch nicht sehr politisch sozialisiert, dies kam erst spaeter,
sonst haette ich auch meine algerische Brieffreundin nicht aufgegeben, deren Namen ich vergessen habe (ich werde heute nachdenken, wie sie hiess...), sie war Kabylin und schwaermte fuer Modern Talking (ich hoffe, ich nahm nicht aus diesem oberflaechlichen Grund von ihr Abstand!!!), die ueberall in der Welt so beliebt waren, nur bei uns von den Coolen belaechelt wurden (So aehnlich wie Eros Ramazotti in Italien).
Mit der Brieffreundin, die in einer wunderschoenen Schrift sehr ernsthafte, ehrgeizige Briefe ueber sehr tiefsinnige Themen schrieb, nahm es ein trauriges Ende, ihr Bruder erkrankte naemlich in jungen Jahren an Krebs. Leider habe ich nie wieder etwas von ihr gehoert.
Wie hatte ich sie denn kennengelernt? Ueber eine Freundin, die heute Aerztin im Ausland ist. Die werde ich fragen, was aus dem netten, algerischen Maedchen geworden ist.
Hoffentlich ist sie am Leben und es geht ihr gut.
Anmerkung: In Frankreich lernte ich eigenartigerweise weniger Franzosen und Franzoesinnen als Auslaender aller Herren und Damen Laender kennen. Man sagte mir, die franzoesische Gesellschaft lasse eben so leicht niemanden in sich hinein. Es ist erfreulich, dass die anderen Nationalitaeten nicht so verschlossen sind.