SCHREIBEN, MÜTTER
Die Grande Dame der kleinen Befindlichkeiten, Nasenpopel und schwitzender Körperteile, Julia Franck, hat es gewagt, sich über die Unvereinbarkeit von Schreiben und Muttersein öffentlich auszujammern:
www.welt.de/kultur/literarischewelt/article123959591/Schreiben-und-Kinder-sind-unvereinbar.html
Die Kommentatoren haben sich natürlich sofort auf sie gestürzt, sie würde Mütter entmutigen, kreativ zu sein und ihr Problem wäre ein Luxusproblem, es ginge nämlich sehr wohl: Schreiben und Kinder haben oder Kinder haben und gleichzeitig schreiben!
So nach dem Motto: "Was will die eigentlich? Die ist doch berühmt! Warum beklagt sie sich?"
Wer schon einmal versucht hat, gleichzeitig Windeln zu wechseln und etwas in den Laptop zu tippen, weiß, dass es doch nicht so ganz einfach ist, aber es geht.
Hera Lind hat es vorgemacht (Vgl. Das Superweib, Die Zauberfrau), Gummibärchen auf dem Toilettendeckel beschrieben und damit viel Schütte gemacht. Selbst Mutter vieler Kinder, hat sie meines Wissens aber nie geklagt, schön die Klappe gehalten, geschrieben, geschrieben, geschrieben.
Es ist sehr still um sie geworden, was ist los? Muss ich mal googlen...
Julia hat "nur" zwei Kinder, aber auch das wird ihr geneidet: Die Kinder und trotzdem der Erfolg. Ein Riesenerfolg sogar und ein beträchtliches Werk, trotz der Kinder. Und jetzt auch noch klagen!
Warum darf sie nicht ein bisschen jammern? Was ist daran so schlimm? Wer weiß, in welchem entnervten Zustand dieser eher einfach gestrickte Text mit der Essenz "Kinder und Schreiben, beides ist Liebe" entstanden ist.
Ich kenne jedenfalls keine alleinerziehende Mutter, die so berühmt ist und sich gleichzeitig Sorgen macht, eine gute Mutter zu sein.
Die meisten Alleinerziehenden, die ich kenne, sind voll ausgelastet mit den Kindern.
Leider sieht Julia das Schreiben auch als Krankheit.
Da muss ich ihr widersprechen!
Schreiben ist eine wundervolle Gabe, die vielleicht von einigen als Sucht oder Krankheit empfunden wird, aber das ist es nicht.
Mütter haben ab und zu auch mal zwei Stunden frei.
Da kann man dann schreiben.
Oder auch schlafen.
Oder Leberkäse mit Spiegelei braten oder endlich mal den Müll sortieren.
Und wem es gelingt, das Schreiben unter all dem anderen dann durchkommen, siegen zu lassen, der hat etwas Bleibendes geschaffen.
Aber zu sagen, Schreiben und Kinder betreuen sei normal, der hat entweder Großeltern im Hinterhalt oder Männer, Geschwister, Freunde etc. und nie erlebt, was es heißt, ein oder mehrere Kinder tagelang allein zu versorgen.
Dass das unser Privatvergnügen ist, stimmt ebenso. Vielleicht sollten die Veranstalter von literarischen Wettbewerben das einmal berücksichtigen und Kinderbetreuung anbieten, sie sind überhaupt nicht familientauglich.
Julia Franck, Autorin von Geschichten, die in Schulbüchern abgedruckt werden und sogar bei VERA-Tests für Testaufgaben genutzt werden, hat Großes geschaffen und verdient Lob und Ehre, keine Häme.
Dass sie sich trotzdem gut und großenteils allein um ihren Nachwuchs kümmern will, spricht nur für sie.
Ich hoffe, sie wird noch viele Bücher schreiben und sich nie entmutigen lassen. Und ihre Kinder vielleicht auch einmal mitnehmen auf Reisen, jetzt, wo sie größer sind.
PS: Hera Lind schreibt jetzt im Diana-Verlag "wahre Geschichten" von Anderen auf, die Lesermeinungen sind unterschiedlich, meistens aber positiv.