Literaturkritik
Ununterbrochenes Plaudern eines Kindes.
Ist unsere plaudernde Gedankenstimme das vor sich hin schwatzende oder staendig ein Gegenueber rufende Kind, das wir mal waren?
Gespraech mit Buechern und ueber Buecher, man erinnert sich an manche wie an bestimmte Konversationen mit Menschen.
Zum Beispiel die Tagebuecher Helmut Kraussers, die jetzt in der ZEIT als langweilig und arrogant niedergemacht wurden, haben einen ueber einen Sommer (oder Herbst) lang begleitet, auch wenn es nur ein paar Wochen oder Tage waren, man folgte seinen Gedankengaengen, ging mit ihm ueber Maerkte in Gran Canaria oder sonstwo und wunderte sich, was er sonst noch alles so trieb.
Seine abschaetzigen Bemerkungen ueber Kulturschaffende und Kritiker und den ganzen blasierten Literaturbetrieb haben ihn wahrscheinlich in diese Aussenseiterposition manoevriert. Ich war ein Fan von Krausser wegen seines Penner-Buches, das auch verfilmt wurde, mit dem grandiosen Juergen Vogel als Penner (Die Sexszene mit der zahnlosen Alten bleibt ein wenig eklig in Erinnerung...), wegen der Kompromisslosigkeit dieses Buches, und auch das von einem damaligen Freund ueberlassene (oder geschenkte? Ich weiss es nicht mehr) Buch "Melodien" fand ich wegen der Zeitreise ins Mittelalter nicht schlecht. Die spaeteren Werke sind dann wegen irgendeines Hanges des Autors zu Sadomasodenken von mir uebergangen worden ("Schmerznovelle") und seither habe ich nix mehr von oder ueber ihn gehoert. Damals dachte ich: Mann, ist der alt (er raesonierte mit 37 ueber seine sich aufloesende Zellstruktur), heute isser 45 - na und? Ob er sich immer noch alt fuehlt? Auf jeden Fall ein Mensch im Literaturbetrieb. Lass dich nicht unterkriegen, Helmut!
Heute "Bilal" angefangen - werde ich behalten.
Zurueckgeben werde ich: Benjamin von Stuckrad Barre, "Auch Deutsche unter den Opfern", einmal lesen reicht. Es ist aber ganz witzig, stellenweise. Wie ihm z.B. Typen im Plattenladen leidtun, die auf die neue Platte von Neil Young warten. Warum tun ihm die wohl leid? Weil sie nicht soviel verdienen wie er? Oder weil sie nicht so modern sind? Erinnere mich an die Geschwaetzigkeit von "Livealbum" und kann nicht so richtig nachvollziehen, warum BvSB jetzt so gepriesen wird, als grosser Kultur- und Sozialhistoriker usw. Vielleicht schreibt mal jemand einen Kommentar, der das weiss und befuerwortet. Meine Seite z.B. ist auch sozialhistorisch, aber niemand hat es bisher kommentiert! Selbstlaeufer! Egal.
Ausserdem "Gewalten" von Clemens Meyer - das ist wie "Gomorra" kein Buch fuers Schlafzimmer, es sind dann doch nicht die Phantasien, die mich verfolgen sollen (Folter, Amoklauf etc., auch sprachlich nicht so ueberzeugend wie "Als wir traeumten". Sicher ein wichtiger, ehrlicher Autor, vielleicht sogar der Buechner unserer Zeit (?), aber mir dann doch zu desillusioniert, vgl. fruehere Besprechung unten.
Ob Georg Klein und "Hellersdorfer Perle" von - Name schon wieder vergessen - ach ja, Katja Oskamp den Weg in meine Bibliothek finden, entscheidet sich morgen, dort steht eigentlich schon genug herum. Letzte Funde: Martin Walser, "Wer ist ein Schriftsteller?" und noch so ein Essayband ueber die Wende, "Nachdenken ueber Deutschland" und der Gedichtband "Grund zu Schafen" von: Name entfallen. Immer wieder lustig: "Lichte Gedichte" und alles von Robert Gernhardt. Wozu all das neue Geschreibe, es gibt viel Altes zum Wiederlesen (Achtung Agent provocateur).
Hinzu kommt noch der Ruf nach authentischen Texten in der Literatur - die Leser wollen in einer immer unkontrollierbarer werdenden Welt der Luegen wenigstens "wahre Geschichten" lesen. Sollte man diesem Ruf folgen?
Aus der katholischen Kirche auszutreten wird bald das Gebot der Stunde fuer viele werden. Fuer das gesparte Steuergeld (das mancher Wuerdentraeger in den Puff transportierte), kann man sich ja ein SPIEGEL-Abo zulegen oder einen Hund...